Lieferengpässe und Baupreissteigerungen wegen Ukraine-Krise

Lieferengpässe und Baupreissteigerungen wegen Ukraine-Krise – Bund gibt Praxishinweise

Nachdem die Corona-Pandemie noch nicht vollständig überwunden ist, beeinträchtigt nunmehr der Krieg Russlands gegen die Ukraine erneut die Lieferketten. Auftraggeber und Unternehmen fragen sich aktuell nach der richtigen Vorgehensweise.  Das Bundesbauministerium hat nun Praxishinweise für die Auftraggeberseite zum Umgang mit Lieferengpässen und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien herausgegeben.

Die in dem unten verlinkten Dokument aufgezeigten Praxishinweise sind ausschließlich für öffentliche Bauleistungen des Bundes verbindlich. Das bedeutet, dass Länder, Kommunen und andere öffentliche Bauauftraggeber hieran nicht unmittelbar gebunden sind. Es bleibt abzuwarten, ob einzelne oder alle Länder entsprechende Regelungen in ihrer Zuständigkeit erlassen.

Inhaltlich ist zunächst für neue Verträge die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe gemäß Nummer 2.3 der Richtlinie zum Formblatt 225 des VHB (ausnahmsweise Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe) vorgesehen. Für die Produktgruppen - Stahl und Stahllegierungen - Aluminium - Kupfer - Erdölprodukte (Bitumen, Kunststoffrohre, Folien und Dichtbahnen, Asphaltmischgut) - Epoxidharze - Zementprodukte - Holz - Gusseiserne Rohre werden sowohl Regelungen für neue Vergabeverfahren, als für bestehende Verträge aufgezeigt. Nach den Vorgaben des Papiers dürfen unter Umständen im Einzelfall auch in bestehenden Verträgen die Preise nachträglich angepasst werden. Sollten Materialien aus den genannten Produktgruppen nur zu höheren Einkaufspreisen als kalkuliert zu beschaffen sein, gibt der Erlass Hinweise, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Preisanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) vorgenommen werden kann. Diese Hinweise sind deshalb interessant, weil mit der Begründung höherer Gewalt eine gewisse Abkehr von der bislang allgemeinen Auffassung erkannt werden könnte, dass grundsätzlich der Auftragnehmer das Materialbeschaffungsrisiko trägt und dessen Preiskalkulation in der Regel keine gemeinsame Geschäftsgrundlage der Vertragsparteien darstellt. Des Weiteren stellt der Erlass klar, dass bei nicht oder vorübergehend nicht möglicher Beschaffung von Materialien der genannten Produktgruppen ein Fall höherer Gewalt anzunehmen ist, der zu einer Verlängerung von Ausführungsfristen führt. Zudem liegt der Erlass auf der Linie der bisherigen „Corona-Erlasse“ und der herrschenden Auffassung, wenn klargestellt wird, dass in diesen Fällen der Auftraggeber gegenüber Folgegewerken nicht in Annahmeverzug gerät und deshalb auch keine Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche befürchten muss.

Der Geltungszeitraum der sog. Praxishinweise begann am 25. März 2022 und ist (zunächst) bis zum 30. Juni 2022 befristet.

Für öffentliche Auftraggeber können die Praxishinweise ein erster Anhaltspunkt zum Umgang mit Engpässen und Preissteigerungen sein, auch um für neue Vergabeverfahren eine Bieterzurückhaltung zu vermeiden. Vor der Anpassung bestehender Verträge sollte gerade außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs der Praxishinweise das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eines Anpassungsanspruchs genau geprüft werden. Dies umso mehr, wenn die Maßnahme dem Haushalts- oder Fördermittelrecht unterliegt.

Für die Auftragnehmer könnten sich – nicht nur gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber – auf Grund der Ausführungen zur Störung der Geschäftsgrundlage neue Argumentationsmöglichkeiten zur Weitergabe höherer Einkaufspreise ergeben.

Dr. Thomas Brübach, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater

Valentin Klumb B. A., Rechtsanwalt und Bachelor of Arts in Public Management & Governance