BGH entscheidet über wirksamen Zugang von Willenserklärung per E-Mail im B2B-Bereich

BGH entscheidet über wirksamen Zugang von Willenserklärung per E-Mail im B2B-Bereich

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 06.10.2022 (Az. VII ZR 895/21) abschließend Stellung bezogen, wann eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr als zugegangen gilt. Er befand, dass eine E-Mail, die innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers zum Abruf bereitgestellt wird, dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugeht. Auf einen tatsächlichen Abruf der E-Mail oder eine Kenntnisnahme komme es nicht an.

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, wann das Angebot der klagenden Partei auf Abschluss eines Vergleichs per E-Mail wirksam gemäß § 130 Abs. 1 BGB zugegangen ist, weil die Partei keine 45 Minuten später eine weitere E-Mail verschickte, mit der darauf hingewiesen wurde, dass das vorherige Angebot unberücksichtigt bleiben müsse. Die beklagte Partei leistete jedoch eine Woche später den ursprünglich angebotenen Vergleichsbetrag, obwohl die Klägerin zwischenzeitlich ihre Forderung erhöht hatte. Mit der Klage machte sie den Differenzbetrag geltend.

Bisher war in der Rechtsprechung abschließend geklärt, dass der Zugang einer Willenserklärung unter Abwesenden voraussetzt, dass sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Mit der Frage, wann konkret eine E-Mail als zugegangen gilt, hat sich der Bundesgerichtshof nunmehr befasst. Zum Teil wurde bisher vertreten, dass eine Ausnahme für den Fall gelten solle, dass die E-Mail zur Unzeit oder außerhalb der üblichen Geschäftszeiten eingeht, dann liege der Zugang der Erklärung am Folgetag (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2011 - 24 U 186/10). Nach anderer Ansicht sei für den Zugang entscheidend, wann ein Abruf im geschäftlichen Verkehr erwartet werden könne, maßgeblich sei also, wann der Absender mit einer Kenntnisnahme der E-Mail nach dem üblichen Geschäftsablauf rechnen könne, was jedenfalls spätestens bis zum Ende der Geschäftszeit zu erwarten sei (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 7.05.2002 - 2HK O 9434/01).

Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass der von einem Empfänger für den Empfang von E-Mail-Nachrichten genutzte Mailserver jedenfalls dann als sein Machtbereich anzusehen sei, in dem ihm Willenserklärungen in elektronischer Form zugehen können, wenn der Empfänger durch Veröffentlichung der E-Mail-Adresse oder sonstige Erklärungen im Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringe, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen in Form von E-Mails abzuschließen. Elektronische Willenserklärungen in Form von E-Mails werden als Datei gespeichert von dem Mailserver des Absenders an den Mailserver des Empfängers weitergeleitet. Dieser werde über den Eingang der E-Mail unterrichtet. In diesem Zeitpunkt sei der Empfänger in der Lage, die E-Mail-Nachricht abzurufen und auf seinem Endgerät anzeigen zu lassen, sodass dann der Zugang anzunehmen sei.

Daher konnte das Vergleichsangebot, das innerhalb üblicher Geschäftszeiten wirksam zugegangen war, nicht mehr gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB wirksam widerrufen werden und die Zahlung innerhalb einer Woche stelle eine konkludente Annahme dar.

Klemens M. Hellmann LL.M., Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht