Steuerstrafrecht - Grundsätzliches zu Anklagen im Steuerstrafverfahren

In einem Urteil vom 9. Januar 2018 (Az. 1 StR 370/17) hat sich der Bundesgerichtshof grundsätzlich zu der Frage geäußert, welche Anforderungen eine wirksame Anklageschrift im Steuerstrafverfahren erfüllen muss. Demnach ist eine Anklage, mit der Folge des Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung, nur dann unwirksam, wenn etwaige Mängel schon ihre Umgrenzungsfunktion betreffen. Demnach hat die Anklageschrift nach § 200 Abs. 1 S. 1 StPO die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs dargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen. Dabei hat eine Schilderung umso konkreter zu sein, je größer die allgemeine Möglichkeit ist, dass der Angeklagte weitere Straftaten gleicher Art verübt hat. Die begangene konkrete Tat muss durch bestimmte Tatumstände so genau bezeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Ein Verfahrenshindernis ist daher nur anzunehmen, wenn die angeklagten Taten nicht unter Grundlage der Anklage in diesem Sinne konkretisierbar sind, so dass unklar bleibt, welchen Umfang die Rechtskraft eines daraufhin ergehenden Urteils haben würde. Hierbei dürfen allerdings die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden. Im Bereich der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) führen diese Erwägungen dazu, dass im Anklagesatz zwar das relevante Verhalten und der Taterfolg im Sinne der Norm anzuführen sind, nicht jedoch bedarf es dort einer Berechnungsdarstellung der Steuerverkürzung. Denn Ausführungen zur Schadensberechnung können keinen Beitrag zur Individualisierung der Tat leisten, mitunter aber dem Ziel zuwiderlaufen, den Tatvorwurf klar, übersichtlich und verständlich darzustellen. Eine Anklageschrift im Steuerstrafverfahren erfüllt daher auch dann die für ihre Wirksamkeit erforderliche Individualisierungs- und Umgrenzungsfunktion, sofern die dem Angeklagten zur Last gelegte Höhe der Steuerverkürzung auf einer Schätzung beruht. Dies selbst dann, wenn eine genauere Berechnung der Steuerverkürzung möglich gewesen wäre.

Dr. André Neumann, Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA)