In Extremfällen muss Schwerstkranken der Zugang zu an sich verbotenen Betäubungsmitteln zur Selbsttötung ermöglicht werden

Nach einer Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes hat dieses am 2. März 2017 entschieden (Az.: 3 C 19.15), dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Patienten umfasse, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt er sein Leben beenden wolle. Dies unter der Voraussetzung, dass er seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln könne. Im extremen Einzelfall könne sich daraus auch ergeben, dass der Staat dem Bürger den Zugang zu einem solchen Betäubungsmittel nicht verwehren dürfe, welches dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermögliche. Dem von der Pressestelle des Gerichtes mitgeteilten Sachverhalt nach, war die Ehefrau des Klägers hochgradig, fast komplett, querschnittsgelähmt. Sie war vom Hals abwärts bewegungsunfähig, musste künstlich beatmet werden und auf ständige medizinische Betreuung sowie Pflege angewiesen. Zudem litt sie unter starken Schmerzen, wenn, wie häufig, Krampfanfälle auftraten. Die Ehefrau des Klägers wollte deshalb aus dem Leben scheiden und hatte dies auch so mit ihrer Familie, den behandelnden Ärzten, einem Psychologen, dem Pflegepersonal sowie einem Geistlichen besprochen. Aufgrund dessen beantragte sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels. Dies wurde jedoch abgelehnt, weil eine solche Erlaubnis mit dem Ziel des Betäubungsmittelgesetzes unvereinbar sei. Nachdem sich in der Schweiz die Ehefrau des Klägers inzwischen das Leben genommen hatte, erhob dieser, auf das erfolglose Widerspruchsverfahren hin,  Klage vor dem Verwaltungsgericht um feststellen zu lassen, dass der Versagungsbescheid der Behörde rechtswidrig und das Bundesinstitut zu Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen sei. Die erste Instanz wies die Klage, nach einem langen Instanzenweg, letztlich als unbegründet ab, was von dem zuständigen Oberverwaltungsgericht bestätigt wurde. Mit der Revision erreichte der Kläger nun, dass das Bundesverwaltungsgericht die Urteile der Vorinstanzen geändert und festgestellt hat, dass der Versagungsbescheid des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte rechtswidrig gewesen ist. Zwar sei es nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes grundsätzlich nicht möglich, den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben. Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich normierten Selbstbestimmungsrechtes sei in Extremfällen allerdings eine Ausnahme für schwer und unheilbar kranke Patienten zu machen, wenn sie wegen ihrer unerträglichen Leidenssituationen frei und ernsthaft entschieden hätten, ihr Leben beenden zu wollen und Ihnen zudem keine zumutbare Alternative zur Verfügung stehe. In einem solchen Fall dürfe ihnen der Zugang zu einem an sich nicht erlaubnisfreien Betäubungsmittel, welches eine würdige und schmerzlose Selbsttötung erlaube, nicht verwehrt sein. Dies hätte im Rahmen der Entscheidung des Bundesinstitutes geprüft und erörtert werden müssen, was dieses jedoch unterlassen hatte. Anzumerken ist zur Klarstellung, dass das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Entscheidung, der Pressemitteilung folgend, somit im Ergebnis nicht festgestellt hat, dass der Ehefrau des Klägers der Anspruch auf Bewilligung des Betäubungsmittels tatsächlich zugestanden hatte. Entschieden wurde lediglich, dass eine solche Möglichkeit im Rahmen des behördlichen Ermessens zu bedenken ist und die hierzu angestellten Erwägungen grundsätzlich darzulegen sind.

Dr. André Neumann, Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA)