Was ist neu? – Zur Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide    

Im Steuerrecht besteht die Besonderheit, dass auch bestandskräftige Steuerbescheide nach Maßgabe der §§ 172 ff. AO aufzuheben bzw. zu ändern sind, sofern bestimmte Voraussetzungen vorliegen. So etwa, wenn Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO). Mit einem Urteil vom 19. Januar 2017 (Az. III R 28/14) hat der Bundesfinanzhof nun klargestellt, dass die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides nach Maßgabe des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auch dann in Betracht kommt, wenn bei einem Gewerbetreibenden nachträglich das Fehlen von Einkaufsbelegen bekannt wird. Dies unabhängig davon, wie der Steuerpflichtige seinen Gewinn zu ermitteln hat. Denn § 143 Abs. 1 AO verpflichtet jeden gewerblichen Unternehmen, den Wareneingang gesondert aufzuzeichnen. Maßgeblich ist allein die Qualifizierung der Einkünfte, auf die Buchführungspflicht und die Art der Gewinnermittlung kommt es dagegen ebenso wenig an, wie auf die Größe und Art des Betriebes oder die Höhe der Umsätze und Wareneingänge. Voraussetzung hierfür ist allerdings,  dass tatsächlich feststeht, dass die Belege schon bei der Veranlagung nicht vorlagen und der Veranlagungssachbearbeiter diesen Umstand erst nachträglich erfahren hat. Demgegenüber scheiden ein Benennungsverlangen nach § 160 AO und auch die Verweigerung der Antwort darauf als Änderungsgrundlage nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aus, weil diese Ereignisse erst nach Erlass der Ausgangsbescheide eingetreten sind. Ebenso ist eine Änderung der Steuerbescheide nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO in einem solchen Fall nicht möglich, denn ein rückwirkendes Ereignis liegt nur vor, sofern der nach dem Steuertatbestand rechtserhebliche Sachverhalt sich später anders gestaltet und sich dies steuerlich in der Weise in die Vergangenheit auswirkt, dass nunmehr der geränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Dagegen genügt eine andere rechtliche Beurteilung des unverändert bleibenden Sachverhaltes insoweit nicht.

André Neumann, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA)