Kein Schadenersatzanspruch auf Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten mehr!

Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuell veröffentlichten Urteil seine jahrzehntelange Rechtsprechung aufgegeben, dass der Auftraggeber einer Bauleistung, die sich als mangelhaft herausstellt, von dem Auftragnehmer Schadenersatz in Höhe fiktiver Mängelbeseitigungskosten verlangen kann (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17, IBRRS 2018, 0964). Der Bundesgerichtshof führt aus, dass der Auftraggeber, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, den Schaden (nur) im Wege einer Differenzberechnung zwischen dem hypothetischen Wert eine mangelfreien Sache und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermitteln kann. Im Falle der Veräußerung einer mangelhaft bearbeiteten Sache könne der Schadenersatz an dem Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen werden. Zudem komme auch eine Schätzung des Minderwerts anhand der Vergütung für die mangelhafte Leistung in Betracht. Begründet wird die Rechtsprechungsänderung mit der bislang möglichen erheblichen Überkompensation des Auftraggebers.

Für den Fall, dass der Auftraggeber den Mangel beseitigen lässt, verweist der Bundesgerichtshof auf den Selbstvornahmekostenanspruch sowie auf den im Werkvertragsrecht gesetzlich vorgesehenen Vorschusskostenanspruch.

Da in dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt neben dem Bauunternehmer auch der planende und bauüberwachende Architekt verklagt war, finden sich in dem Urteil auch neue Aussagen zu möglichen Mängelhaftungsansprüchen des Auftraggebers gegen seinen Architekten. Mit den gleichen Erwägungen verneint der Bundesgerichtshof ebenfalls einen Schadenersatzanspruch auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Neben der Möglichkeit, nach Beseitigung der Mängel die Mängelbeseitigungskosten zu verlangen, wird nunmehr auch ein Schadenersatzanspruch gegen den Architekten auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags gewährt. Damit wird der Anwendungsbereich des Vorschusskostenanspruchs auf den Architekten erweitert.

Weitere interessante Ausführungen sind in dem Urteil zu der Frage der Schadenersatzberechnung aus Kaufverträgen zu finden. Obwohl nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein kaufrechtlicher Schadenersatzanspruch auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht werden kann, sieht der für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat keine Veranlassung, wegen seiner Änderung der Rechtsprechung bei den für das Kaufrecht zuständigen V. und VIII. Zivilsenaten anzufragen, da Kaufrecht und Werkvertragsrecht strukturelle Unterschiede aufwiesen. So gebe es im Werkvertragsrecht eine größere Gefahr der Überkompensation eines Schadens des Auftraggebers und zudem sehe das Werkvertragsrecht auch bereits einen Vorschussanspruch vor.

Die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs mit der vorgenommenen Rechtsprechungsänderung wird erhebliche Auswirkungen auf die Praxis haben, da dem Auftraggeber, der Mängel des Bauwerks nicht beseitigen lässt, bewusst sein muss, dass ein Schadenersatzanspruch weit niedriger zu beziffern sein könnte als nach bisheriger Rechtslage. Für bereits anhängige Schadenersatzprozesse besteht allerdings weiterhin die Möglichkeit, von einem Schadenersatzanspruch auf einen Vorschusskostenanspruch überzugehen, wenn sich die Disposition des Auftraggebers entsprechend ändert.

Dr. Thomas Brübach, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater