BSG: Krankengeldanspruch auch bei irrtümlichem Nichterstellen einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung

Das Bundessozialgericht hat am 11.05.2017 (Az. B 3 KR 22/15 R, B 3 KR 12/16 R) entschieden, dass eine Krankenkasse Versicherten, die in den Jahren 2012/2013 zur Feststellung ihrer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit zeitgerecht persönlich ein Vertragsarzt aufsuchten, Krankengeldzahlungen nicht verweigern darf, wenn der Arzt die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung irrtümlich aus nichtmedizinischen Gründen unterlässt.

In einem zu entscheidenden Verfahren war der Hausarzt der Klägerin der Meinung, dass er ihr am letzten Tag der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeitsdauer nicht erneut eine Arbeitsunfähigkeit attestieren muss, weil dies bei einem am Folgetag vereinbarten Termin durch eine Fachärztin ohnehin erfolgen werde. In dem anderen Verfahren hatte der Arzt angegeben, dass er „es leider verpasst“ habe, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszustellen und bejahte nachträglich durchgehende Arbeitsunfähigkeit. Das Bundessozialgericht hat nun festgestellt, dass einer Krankenkasse ausnahmsweise Krankengeld auch dann gewähren muss, wenn die Fehleinschätzung des Arztes über die Notwendigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf nichtmedizinischen Gründen beruht. Zwar hänge die Weitergewährung von Krankengeld nach den gesetzlichen Vorschriften in der bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung grundsätzlich davon ab, dass am letzten Tag der bestehenden Arbeitsunfähigkeit für die Folgezeit erneut Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Der Senat stellte jedoch klar, dass allerdings auch schon bisher ausnahmsweise Krankengeld zu zahlen sei, wenn der Arzt die Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung aufgrund einer medizinischen Fehlbeurteilung nicht erstellt, der Versicherte aber selbst insoweit alles in seiner Macht Stehende getan hatte. Wegen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, die - anders als das Gesetz - eine rückwirkende Arbeitsunfähigkeits-Testierung erlaube, könne regelmäßig nicht angenommen werden, dass ein Vertragsarzt weiß, dass ein solches Attest aber zum Verlust langzeitiger Krankengeld-Ansprüche des Versicherten führt. Vor diesem Hintergrund gab der Senat den Klagen statt.

Kristina Orth, Fachanwältin für Medizinrecht, Fachanwältin für Versicherungsrecht