Keine einstweilige Verfügung ohne Abmahnung im Wettbewerbsrecht

Auch im Wettbewerbsrecht gelten die Maßstäbe der prozessualen Waffengleichheit und des rechtlichen Gehörs. In einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss v. 27.07.2020. Az. 1 BvR 1379/20) ging es um die Fragen, ob der Antragsgegner einer einstweiligen Verfügung erneut angehört werden muss, wenn der Unterlassungsantrag von den in der Abmahnung geforderten Unterlassungsansprüchen abweicht und ob der Gegner zu beteiligen ist, wenn das Gericht dem Antragsteller Hinweise erteilt.

Das BVerfG stellt fest, dass das Recht auf rechtliches Gehör bei einer Abweichung des Unterlassungsantrages im einstweiligen Verfügungsverfahren verletzt wird. Erteilt das erlassende Gericht auch noch Hinweise, ohne den Antragsgegner mit einzubeziehen, liegt ein weiterer Rechtsverstoß vor.

Dagegen blieb offen, ob die Grundsätze für das gesamte Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes gelten, da gemäß der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (RiLi 2004/48/EG) dem Rechteinhaber ausdrücklich auch Maßnahmen ohne vorherige Anhörung des Gegners gewährt werden müssen. Auf den in diesem Verfahren relevanten § 3a UWG, war die Richtlinie jedoch nicht anwendbar, sodass eine zukünftige Klärung dieser Frage abzuwarten ist.

Im Ergebnis läuft der Antragsteller einer einstweiligen Verfügung derzeit Gefahr, keine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu erhalten, wenn er den Gegner zuvor nicht ordnungsgemäß abgemahnt hat. Auch für die Abmahnpraxis haben die Entscheidungen des BVerfG Folgen. Der Abmahnende muss sich gut überlegen, wie er seinen Unterlassungsanspruch formuliert. Will er im Rahmen der Antragsschrift nachbessern, droht ihm dadurch nunmehr ein Rechtsverlust.

Kevin Müller, LL.M. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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