Enterbung durch einfordern des Pflichtteils?

Pflichtteilsstrafklausel im Ehegattentestament

Das „Berliner Testament“ erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Oftmals setzen sich darin Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben ein, während die gemeinsamen Kinder als Schlusserben nach dem Letztversterbenden der Ehegatten berufen werden. Dazu kommt oftmals eine Pflichtteilsstrafklausel. Diese Klausel soll bewirken, dass die Einsetzungen der Kinder als Schlusserben jeweils unter einer auflösenden Bedingung stehen. Macht ein Kind seinen Pflichtteil nach dem erstversterbenden Elternteil geltend, tritt diese Bedingung ein. Dann ist das betroffene Kind regelmäßig als enterbt anzusehen. Sein Erbteil wächst dann dem anderen Kind an, wenn dieses nicht gegen die Pflichtteilsstrafklausel verstoßen hat – es wird dann Alleinerbe nach dem letztversterbenden Elternteil.

Vielen Kindern ist nicht bewusst, dass sie auch auf andere Weise als durch eine Pflichtteilszahlungsklage die negativen Folgen einer Pflichtteilsstrafklausel auslösen können. Die außergerichtliche Geltendmachung des Pflichtteils mit einfachem Brief („Ich will jetzt meinen Pflichtteil.“) reicht regelmäßig schon aus. Das gilt selbst dann, wenn kein konkreter Betrag gefordert wird. Dasselbe gilt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, wenn ein Kind einen Erbschein beantragt, der ihn als gesetzlichen Miterben nach seinem zuerst verstorbenen Elternteil ausweisen soll (OLG München, Beschluss vom 07.04.2011, Az.: 31 Wx 227/10).

Beim Vorliegen einer Pflichtteilsstrafklausel muss also besonders vorsichtig vorgegangen werden. Es gibt aber durchaus Wege, seine rechtlichen Interessen wahrzunehmen und zu verteidigen, ohne dadurch zwangsläufig die Sanktion der Enterbung auszulösen. Wie das Oberlandesgericht München in einer nun veröffentlichten Entscheidung (Beschluss vom 06.12.2018, Az.: 31 Wx 374/17) befunden hat, schadet zum Beispiel ein isolierter Angriff gegen den Alleinerbschein des überlebenden Elternteils noch nicht. Dasselbe gilt für die isolierte Geltendmachung der gesetzlichen Auskunftsansprüche eines Pflichtteilsberechtigten aus § 2314 Abs. 1 BGB.

Eine Pflichtteilsstrafklausel zwingt also nicht dazu, ein Testament ohne Gegenwehr hinnehmen zu müssen. Es bedarf aber einer gewissen Gratwanderung, die genaue Kenntnisse der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung voraussetzt.

Sascha Unger, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Erbrecht, Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)